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  San Francisco, ich komme
 

San Francisco, ich komme

Ich hasse mein Leben. Ich wohne in Berlin Mitte, in einer verfallenen Plattenbausiedlung. Mein Name ist Tatjana und passt zu meinem Leben. Ich bin 27, habe 3 Kinder. 3 Mädchen sind es, Julie, Larissa und Mina, im Alter von 6 bis 10 Jahren. Alleinerziehend- versteht sich. Aus dem Schema: „Wird Zeit, dass du dir ne Ausbildung suchst“ bin ich also auch schon draußen. Trotzdem habe ich voller Hoffnung einen letzten Versuch gestartet und eine Bewerbung an ein Reinigungsunternehmen geschickt. Ich weiß, das klingt nicht so toll, aber wenn ich erst mal eine feste Anstellung habe, werde ich mich hocharbeiten.

Mein Alltag sieht trostlos aus. Ich halte mich mit Aushilfsjobs über Wasser, was für die Versorgung von mir und meinen Kindern auch reicht. Es reicht aber nicht für ihre „Sonderwünsche“. Damit meine ich die tolle Puppe aus der Klassik-Kollektion, den Reitunterricht mit ihren geliebten Pferden, aber auch ein Samsung S5230.Haben ihre Freundinnen auch, wollen sie auch. Ok, ganz einfach. Dann erkläre ich einem 10jährigen Mädchen doch mal, dass Mami Opfer einer Gesellschaft wurde, die einen guten Hauptschulabschluss voraussetzt, um an mehr als nur Aushilfsjobs zu kommen. Vielleicht liegt darin, dass ich ihren Wünschen nicht nachkommen kann, auch der Grund unseres schwierigen Verhältnisses. Zumindest wünschte ich, es wäre so. Wenn wir uns sehen, habe ich schon bald genug von ihnen- und sie von mir. Sie verbringen den Tag dann, bis auf das Essen, in ihren zwei Zimmern und ich auf dem Sofa vor dem Fernseher.

Heute haben sie große Pläne. Schon lange freuen sie sich auf diesen Samstagabend. Julie und Larissa sind für einen Filmeabend und zum Übernachten bei ihrer Freundin eingeladen, Mina darf das erste Mal bei einer Klassenkameradin übernachten. Nachdem ich Mina abgeliefert habe, erreiche ich wieder unsere Wohnung. Ich nehme die Post mit rein und setze mich aufs Sofa, möchte mich kurz ausruhen. Das Reinigungsunternehmen hat mir geschrieben: „Wir bedauern sehr, ihnen keinen Arbeitsplatz in unserem Unternehmen anbieten zu können.“ Das reicht mir schon… ich zerknülle den Brief und werfe ihn in die Ecke. Selbst das Hauen auf den Tisch kann mich nicht beruhigen.

Es reicht. Ich habe die Nase gestrichen voll. Ich möchte raus hier, sofort. Ich schließe die Augen und stelle mir vor, wie es denn wäre, jetzt in San Francisco zu sein. Es wäre wunderbar. Ok, das mache ich. Ich gehe nach San Francisco, zumindest für heute Abend. Morgen muss ich wieder da sein,  meine Kleinen kommen ja wieder.

Also gut, Mary Jane, hilf mir bitte wieder. Ich liege entspannt auf dem Sofa und langsam spüre ich es schon, setze zum Flug an. Der Flug ist kurz, ich passiere die Golden Gate Bridge, sage der Transamerica Pyramid „Hallo“ und steuere entschlossen auf mein Ziel hin: der Buena Vista Park. Ja, hier fühl ich mich wohl. Hier sind meine Leute. Sofort bin ich wieder in der Runde meiner Freunde. Wir lachen, trinken und haben zusammen einfach Spaß. Die Zeit vergeht wie im Flug und zum Abschluss meiner Reise darf mein abendlicher Spaziergang auf dem Baker Beach nicht fehlen. Ich verabschiede mich von meinen Freunde und verspreche, dass ich bald wieder kommen werde.

Ich wache auf. Es ist 12 Uhr mittags. Ich brauche eine Weile, um zu begreifen, wo ich bin. Ich fühle mich müde und platt, könnte einfach weiterschlafen. Meine Kinder stehen vor mir und fragen mich, wann es Essen gibt. Ich frage mich, wann sie das nächste Mal außer Haus sind.



 

 
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