meinbeitrag
  Diskurs um die Gerechtigkeit
 
Ein Diskurs um die Gerechtigkeit

„Gerechtigkeit siegt.“
„Gerechtigkeit ist schwerer als Hingebung und Liebe.“ (Friedrich Nietzsche)
Wenn wir unsere Sünden bekennen, dann ist Gott treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt vor aller Ungerechtigkeit (1.Johannes 1,9).“

Berühmte und bekannte Philosophen, Dichter und Schriftsteller -sogar die Bibel- erläutern uns in vielen Wegen die Vielfältigkeit und den Umgang mit dem Begriff Gerechtigkeit. Sie erklären dem Unwissenden was Gerechtigkeit ist und wie er sie zu verstehen hat. Sie geben dem Unwissenden zu verstehen, dass Gerechtigkeit unübersichtlich und undefinierbar ist.
Trotzdem müssen wir Menschen im Umgang miteinander sozial und gerecht sein. Müssen wir? Müssen wir nicht, aber wir sollten. Andernfalls lässt sich die Mordrate der mexikanischen Stadt Juárez von jährlich 2000 Morden auf die Städte aller Welt übertragen. Es gibt also eine gewisse Schwierigkeit mit dem Verfahren der Gerechtigkeit. Menschen sind nun mal eigen, sensibel und schwach. Anders lassen sich vom Menschen zugefügtes Leid wie der Holocaust oder auch Kriege jeglicher Art nicht erklären. Dies zeigt, dass die zwischenmenschliche Beziehung für uns Menschen selbst nicht greifbar und nicht zu erklären ist. Wir haben kein Patentrezept für erfolgreichen und problemlosen Umgang miteinander. Konflikte können nach jahrzehntelangen Ehen oder Freundschaften in Sekunden entstehen. Als Konfliktlösung bedient sich der Mensch gerne der Rache durch Mord. Der andere Mensch schadet mir, also erhält er seine gerechte Strafe. Ein frankierter Rückumschlag, gerne mit einer größeren Beilage.  
Wenn man dazu nicht fähig ist, kann man versuchen, dies aus der Literatur zu erlernen. Geeignete Beispiele finden sich zu Genüge. Man stößt unter anderem auf Friedrich Dürrenmatts Werk „Besuch der alten Dame“. Die alte Dame, Claire Zachanassian, erlitt in ihrer Jugend eine Unmenge an Ungerechtigkeiten. Als sie schwanger wird, bestreitet ihr Partner Ill seine Vaterschaft und gewinnt den folgenden gerichtlichen Prozess durch Bestechung von Zeugen. Er verlässt sie für eine andere Frau. Claire wird zurückgelassen, schwanger, arm und alleine. Sie verlässt das Dorf, erlangt durch eine Heirat ein Vermögen und kehrt als alte Dame ins Dorf zurück. Sie bietet dem verschuldeten und trostlosen Dorf und dessen Bürgern einen Deal an: Sie spendet dem Dorf eine Milliarde und fordert im Gegenzug den Tod Ills. Letztendlich wird Ill von den verzweifelten Bürgern derartig bedrängt, dass dieser aus Angst einen Herzinfarkt erleidet- Auftrag erledigt. Die alte Dame erhielt somit Genugtuung, den späten Sieg über ihren Peiniger der Vergangenheit.      
Michael Kohlhaas beschränkte sich bei seinem Erlangen von Gerechtigkeit nicht auf den Mord eines Menschen. Seine Pferde wurden von Adligen unter einem Vorwand gepfändet und ausgebeutet. Diese Ungerechtigkeit lässt er nicht auf sich sitzen und klagt vor Gericht in verschiedenen Instanzen. Die Gerichte sprechen den Adligen Recht zu, da Angeklagte und Rechtsprechende sich kennen, bzw. verwandt sind. Nachdem beim Anklageversuch in einer höchstmöglichen Instanz seine Frau getötet wird, brennt er auf der Suche nach dem Täter ganze Dörfer nieder und unschuldige Bürger sterben.
Wenn man davon ausgeht, dass jeder für sich selbst seine eigene Gerechtigkeit erreichen muss, dann könnte man auf den Schluss kommen, dass das Wohl der Anderen nicht beachtet werden muss- oder sollte. Ein Trugschluss? Wenn wir eine solche Geschichte lesen und uns von unseren Gefühlen und Emotionen leiten lassen, dann können wir diesen Schluss nachvollziehen.
Etwas drastischer als Michael Kohlhaas ist das von Dichter Georg Büchner gegebene Beispiel um den Soldaten Woyzeck. Woyzeck führte ein bürgerliches Leben, hatte eine Frau und eine neugeborene Tochter. Um für die Familie etwas dazuzuverdienen lässt er sich auf das Angebot eines Arztes ein, der an Woyzeck die körperliche Entwicklung untersuchen möchte, wenn dieser sich nur von Erbsen ernährt. Nach und nach schlägt sich in Woyzecks Verhalten die Mangelernährung nieder- doch für seine Frau Marie und sein Kind möchte er das Geld verdienen. Während er sich für die Familie aufopfert und immer schwächer wird, betrügt ihn seine Frau mit einem gutgebauten Major. Woyzeck wird öffentlich gedemütigt und muss den Seitensprung mit ansehen- allerdings nicht tatenlos. Er sticht mehrmals mit dem Messer auf seine Frau ein und tötet sie.
Beim Lesen einer solchen Geschichte widerstrebt mir jeglicher Sinn nach der Suche der Schuldfrage. Man möchte fast meinen, Woyzeck stünde es zu, sich derart an seiner Frau zu rächen. Doch was soll Woyzeck tun? Seiner Frau weiterhin das Geld nach Hause bringen, sich vor Allen demütigen lassen?
Claire Zachanassian, Michael Kohlhaas und Woyzeck widerfuhren verschiedene Ungerechtigkeiten. Alle haben reagiert und sich nicht zur Tatenlosigkeit oder gar Aufgabe bringen lassen. Alle haben reagiert- und gemordet.
Alle haben sie das Richtige getan. Sie haben verstanden, dass der Mensch keine Gerechtigkeit bekommt, er muss sie sich selbst erarbeiten. Menschen sind nicht gerecht, sie verfolgen Minderheiten und begehen viele andere Schandtaten. Gott ist nicht gerecht. Er lässt Menschen, die sich für andere aufopfern und jahrelang Kranke pflegen selbst zu Kranken werden. Wer gibt uns dann unsere Gerechtigkeit?
Wir müssen sie uns selbst holen.
„Auge um Auge, Zahn um Zahn“ ist ein altes Sprichwort aus dem alten Testament der Bibel. Doch dieses Sprichwort erfasst die Bedeutung der Gerechtigkeit nicht gänzlich. Johann Wolfgang von Goethe kam dieser schon näher: „Eigentlich ist es nur des Menschen, gerecht zu sein und Gerechtigkeit zu üben; denn die Götter lassen alle gewähren: Ihre Sonne scheint über Gerechte und Ungerechte.“
Ein Fingerzeig darauf, dass wir unsere Gerechtigkeit selbst erreichen müssen und uns bei der Suche nach ihr nicht auf Gott alleine verlassen können. In vielen Bereichen unserer Gesellschaft wird dies bereits umgesetzt. In den Ghettos aller Welt hat das Sprichwort „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ primäre Bedeutung.
Doch nicht nur in „unteren Schichten“ wird Goethes Rat befolgt. George W. Bush verstaatlichte die Beschaffung der eigenen Gerechtigkeit. Nach dem Angriff unbekannter Herkunft auf das World-Trade Center gab er Terroristen aus dem nahen Osten als Täter aus, was eine kompromisslose Bekämpfung seitens der USA gegen den Irak zur Folge hat und rechtfertigen soll.
Ich möchte hierbei nicht die Handlung als korrekt darstellen, sondern lediglich das Prinzip. Ich kann natürlich mein Leben lang Widrigkeiten und Ungerechtigkeiten aller Art widerstandslos hinnehmen und abwechselnd meine Wangen zum Rückschlag anbieten. Richten wird Gott und Gerechtigkeit geben wird Gott- spätestens nach dem Tod.
Leider bekommt man im Leben immer wieder gegenteiliges aufgezeigt. Menschen, die alle Ungerechtigkeiten widerstandslos hinnehmen sind meist die Verlierer. Rächer und Selbstbeschaffer der Gerechtigkeit sind die Gewinner- zumindest bis zum Tod. Diese Erkenntnis erlangen viele Menschen, früher oder später.
Man führt ein Leben, das oftmals abhängig von Gott ist. Man vertraut auf ihn, spürt und erfährt seine Hilfe. Doch im Laufe des Lebens bekommt man auch viele Grausamkeiten mit: Betrüge, Krankheiten, Tod, Mord… oftmals auch –aus der für uns verstandenen Gerechtigkeit - unbarmherzige und nicht nachvollziehbare Schicksale. Hierbei greift Gott in vielen Fällen nicht ein, lässt den Menschen (scheinbar) alleine mit seiner erlittenen Ungerechtigkeit.
Hier scheiden sich die Menschen: Vertraue ich weiterhin auf gottgegebene Gerechtigkeit oder erkenne ich meine Alleingelassenheit und reagiere?
Die Frage ist, wie viele Menschen dies erkennen. Wie viele George W. Bush´s gibt es unter uns? Diese Frage lässt sich natürlich nicht mit einer Zahl beantworten. Aber klar ist, dass es noch genug Menschen gibt, die im Glauben an Gottes Hilfe tatenlos und widerstandslos Ungerechtigkeiten ertragen. Mitleid habe ich für Unwissende.
 
 
 
      

 
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